Igelzärtlichkeit
Versonnen blickt der Borstenigel,
ja fast bekümmert auf den Hügel.
Auf Hügel und ins weite Land,
wo er einst die Liebste fand.
Die aber ist seit siebzehn Stunden
ganz ohne Abschiedswort verschwunden.
Wo bist Du, Liebste? ruft er laut,
Wo bist Du, spitzbenaste Braut?
Du, deren Borsten Stachelpracht,
mich schier um den Verstand gebracht.
Du, deren holdes Tatzenpaar,
so zierlich wie kein zweites war.
Du, die Du derart reizend quiektest,
wenn Du von mir ein Küßchen kriegtest.
Oh, laß mich nicht länger harren,
sonst - aber hör' ich nicht ein Scharren?
Ein Schnaufen, das mir so vertraut?
So schnauft nur eine - meine Braut!
Ach Liebste, bist Du nicht ganz nah?
Und hell ertönt die Antwort: Ja!
Ich glaub, ich schlief ein wenig ein,
kannst Du mir noch einmal verzeih'n?
Und mild erfrischt der Abendwind,
zwei Igel, die sehr glücklich sind!
Robert Gernhardt aus "Mit dir sind wir vier" |